Die „Wilde Vertreibung“ in Saaz

unbekanntes Lager

Wilde Vertreibung? Ausbruch des Volkszorn? Nein.  In Wirklichkeit kam es zu diesen Übergriffen und Massakern keineswegs außerhalb der Kontrolle verantwortlicher Staatsorgane. Die systematische Planung und zentrale Leitung der Aussiedlungsaktionen „von oben“ spielte in den ersten Nachkriegsmonaten des Jahres 1945 eine wichtigere Rolle, als man ihr bisher zuschrieb. „Wild“, „spontan“ oder „nicht organisierte“, wie später behauptet, waren sie zu keiner Zeit. Dazu die Ausstellung „Die Wilde Vertreibung der Deutschen aus Nordböhmen 1945“

Genau wie in anderen Städten in der Republik, begann die „Abrechnung“ mit den Deutschen in Saaz. Nach der Übergabe der Sowjetarmee am 2. Juni gingen am nächsten Tag die Mitglieder der Svoboda Armee, die sog. Revolutionsgardisten und bewaffnete Zivilisten durch die Stadt. Sie durchsuchten alle Wohnungen. Alle Männer von 13 – 65 Jahren mussten sich auf den Ringplatz einfinden. Bericht von Peter Klepsch.

Die Binde die alle Deutschen tragen mussten. Das N für Deutscher in tschechischer Němec.

Kein Deutscher durfte in seiner Wohnung bleiben. Es wurden mehrere Sammellager errichtet. I. der Schwimmschule, II. Schützenhaus, III. in den ehemaligen SS Kasernen und im IV. im Haus Vratislav (Fröschl). Sie wurden zum Arbeiten eingeteilt und mussten Abend in die Lager zurückkehren. Sie mussten eine weise Binde tragen auf der ein „N“ war und durften nur zu gewissen Zeiten, die vorher bestimmt wurden etwas einkaufen.

In Postelberg kam es zu Massenexekutionen von den tschechischen Einheiten der OBZ und auch an anderen Orten in ganzen Saazerland wurden Gewalttaten an den Deutschen verübt, die inzwischen dokumentiert sind. Der Heimatkreis hat darüber eine Dokumentation 2013 in Buchform herausgegeben „Versöhnung durch Wahrheit“ das in einen Leipziger Verlag 2022 neu verlegt wird.

Zusammenstellung der Transporte am Saazer Bahnhof

Die organisierte Vertreibung begann in Saaz am 12. Februar 1946. Direkt aus den Sammellagern. Die Züge hatten 40 Waggons mit mindestens 30 Personen, also ungefähr 1200 Personen. Jeder durfte nur Gepäck bis zu 50 kg mitnehmen. Wertsachen, Schmuck oder Gold, Wertpapiere wurde für den Staat konfisziert. Die ersten Transporte gingen in die amerikanische Besatzungszone und in Juni auch in die sowjetische. Insgesamt wurden  aus Saaz bis Herbst 1946  23 Transporte mit 27 856 Deutschen in die Besatzungszonen durchgeführt. Am 1. November 1946 waren nur noch ca. 2000 Deutsche im Saazer Landkreiskreis.

Die ersten Neusiedler, die jetzt aus Prag oder anderen Gebieten in die Grenzgebiete wanderten, wanderten spontan aufgrund der Aufrufe, die es in der Presse gab oder Presseartikel, die dazu aufriefen, den Besitz der Deutschen unter nationaler Verwaltung zu übernehmen. Das waren aber auch sog. Goldgräber, die Wohnungen ausgeraubt haben und zurückfuhren nach Prag oder andere Städte.

Die beschlagnahmten und konfiszierten Besitztümer der deutschen Bevölkerung wurden de facto nicht verschenkt, sondern es mussten dafür Übernahmepreise entrichtet werden, die allerdings sehr niedrig waren und teilweise eher symbolischen Charakter hatten. Die Bauernhöfe, der landwirtschaftliche Boden wurden auch zu sehr niedrigen Preisen veräußert.

Lastwagen in Richtung Grenzgebiet 1945

Dazu:  Die Neubesiedlung der Sudetengebiete nach Mai 1945

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